Ich tauchte ab ins Schwarze Meer – und fand versunkene Städte der Antike

 Ich tauchte ab ins Schwarze Meer – und fand versunkene Städte der Antike

 Als ich mich das erste Mal mit der Unterwasser-Archäologie im Schwarzen Meer beschäftigte, hatte ich romantische Vorstellungen: versunkene Tempel, geheimnisvolle Amphoren, verborgene Schätze. Was ich fand, war noch viel spannender – eine atemberaubende Kombination aus Geschichte, Wissenschaft und Technologie.

🌊 Warum das Schwarze Meer ein archäologischer Schatz ist

Das Schwarze Meer ist nicht irgendein Gewässer – es ist ein Archiv der Menschheitsgeschichte. Aufgrund seines einzigartigen Sauerstoffmangels in tieferen Schichten (Anoxie) bleiben organische Materialien wie Holz, Stoff oder sogar menschliche Überreste hier über Jahrtausende erstaunlich gut erhalten. Genau das macht es zu einem Paradies für Archäologen – und für Menschen wie mich, die diese Geschichten erzählen wollen.

🏛️ Diese antiken Städte liegen unter Wasser

Beginnen wir mit den konkreten Orten. Zu den wichtigsten versunkenen oder teilweise überfluteten antiken Städten im Schwarzen Meer gehören:

  1. Apollonia Pontica (heute Sozopol, Bulgarien): Gegründet im 7. Jahrhundert v. Chr. von ionischen Griechen, war sie ein wichtiger Handelsstützpunkt. Teile der Stadt – einschließlich ihrer Mauern und eines Apollon-Tempels – sind heute unter Wasser zu finden. Bei Tauchgängen stößt man auf erstaunlich gut erhaltene Mauerreste und Keramikfragmente.

  2. Phanagoria (Russland, Taman-Halbinsel): Eine der bedeutendsten Städte der Antike am östlichen Schwarzen Meer. 2019 entdeckten russische Archäologen dort ein vollständig erhaltenes Schiff aus der Zeit Alexanders des Großen. Ein Teil der Stadt ist aufgrund von Erdbeben und Meeresspiegelanstieg untergegangen.

  3. Nesebar (früher Mesembria, Bulgarien): Diese thrakisch-griechisch-römische Stadt war über Jahrhunderte ein bedeutendes Handelszentrum. Etwa ein Drittel der antiken Stadt liegt heute unter Wasser, inklusive Teilen der Stadtmauer und mehrerer Tempelruinen.

  4. Sinop (Türkei): Vor der Nordküste der Türkei entdeckten Forscher unter Wasser eine bronzezeitliche Siedlung – mit den ältesten bislang im Schwarzen Meer gefundenen Strukturen. Die Siedlung war wohl über 3.000 Jahre alt, bevor sie dem Meer zum Opfer fiel.

  5. Dioskurias (heute Sukhumi, Georgien): Diese griechische Kolonie ist heute teilweise unter Wasser und bleibt schwer zugänglich. Dennoch zeigen Aufnahmen mit Sonargeräten versunkene Gebäudestrukturen – eine wahre Zeitkapsel.

🔬 Moderne Technologie trifft auf antike Mysterien

Was mich besonders fasziniert, ist der Hightech-Ansatz der heutigen Archäologen. Die britische „Black Sea Maritime Archaeology Project“ (kurz: Black Sea MAP) beispielsweise nutzt ferngesteuerte Tauchroboter, 3D-Sonar und sogar Tiefseeschiffe, um Schiffswracks und antike Städte zu kartieren. Das Team hat in über 2.000 Metern Tiefe mehr als 60 perfekt erhaltene Wracks entdeckt – vom römischen Handelsschiff bis zur osmanischen Galeere.

Diese Funde sind spektakulär: Ein griechisches Handelsschiff aus dem 5. Jahrhundert v. Chr., das aussieht, als könnte es gleich wieder in See stechen. Intakte Amphoren, Ruder und sogar Teile des Masts wurden entdeckt – eine echte archäologische Sensation.

📚 Was ich bei meinen Recherchen gelernt habe

Ich habe erkannt: Unterwasser-Archäologie ist nichts für Schatzjäger – es geht um Geduld, Teamarbeit und wissenschaftliche Präzision. Die Funde erzählen Geschichten von Handelswegen, Völkerwanderungen und Naturkatastrophen. Manche der Städte versanken durch Erdbeben, andere durch den stetigen Anstieg des Meeresspiegels oder durch Flusserosionen.

Auch die Legende von einer „Schwarzen-Meer-Sintflut“ vor etwa 7.600 Jahren beschäftigt Forscher bis heute. Damals soll das Mittelmeer durch den Bosporus eingebrochen sein und das frühere Süßwasserbecken überflutet haben – ein Szenario, das manche mit der biblischen Sintflut in Verbindung bringen.

⚓ Warum das für unsere Zukunft wichtig ist

Was mich bei all dem besonders berührt hat: Diese versunkenen Welten sind mehr als nur faszinierende Ruinen. Sie sind Mahnmale. Sie zeigen, wie sensibel das Zusammenspiel zwischen Mensch, Natur und Technik ist. Wenn eine florierende Stadt wie Apollonia durch Umweltveränderungen untergeht – was sagt das über unsere Küstenstädte heute aus?

Zudem zeigt die Unterwasser-Archäologie, wie wichtig internationale Zusammenarbeit ist. Die Erforschung des Schwarzen Meeres bringt Wissenschaftler aus der Türkei, Bulgarien, Russland, der Ukraine und vielen weiteren Ländern zusammen. In einer Zeit, in der politische Spannungen oft dominieren, ist das ein Hoffnungsschimmer.

📦 Infos: „Reisetipps für Unterwasser-Archäologie am Schwarzen Meer“

🏛️ 1. Apollonia Pontica – Sozopol, Bulgarien
📍 Lage: Südliche Schwarzmeerküste, ca. 35 km südlich von Burgas
🔍 Tipp: Besuche das Archäologische Museum Sozopol und mache eine geführte Bootstour zu den versunkenen Stadtmauern vor der Insel St. Kirik. Ideal für Hobby-Archäologen und Kulturinteressierte.
🏨 Unterkunft: Charmante Gästehäuser direkt in der Altstadt mit Blick auf die Bucht.
🤿 Tauchmöglichkeiten: Ja – Tauchzentren bieten geführte Touren zu Unterwasserfundorten.

🏺 2. Nesebar (Mesembria), Bulgarien
📍 Lage: Nordwestlich von Burgas
🗺️ Tipp: Die Altstadt gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ein Drittel der antiken Stadt liegt heute unter Wasser – vor allem sichtbar bei Schnorchelausflügen oder bei Ebbe.
🖼️ Must-See: Basilika „Hl. Sophia“, das kleine, aber feine Archäologische Museum.
👣 Ideal für: Kultururlauber, Familien mit Interesse an Geschichte.

⛵ 3. Phanagoria, Taman-Halbinsel, Russland
📍 Lage: Nähe der Straße von Kertsch (nur mit Sondergenehmigung erreichbar)
⚠️ Hinweis: Der Zugang ist begrenzt, Besichtigungen nur im Rahmen archäologischer Projekte oder in regionalen Museen möglich.
🎓 Reisetipp: Im Sommer veranstaltet das Russische Geographische Institut Führungen und Vorträge zur laufenden Grabung.
🛂 Visum erforderlich!

🏞️ 4. Sinop, Türkei
📍 Lage: Nordküste der Türkei, direkt am Schwarzen Meer
🎯 Tipp: Kombiniere einen Badeurlaub mit einer Entdeckungstour im Archäologischen Museum Sinop. Von dort aus starten auch Bootstouren mit Blick auf Fundstellen.
🧭 Für Abenteurer: In der Nähe wurden bronzezeitliche Funde unter Wasser entdeckt. Ideal für Technik- und Geschichtsfans!

🏛️ 5. Sukhumi / Dioskurias, Abchasien (umstrittene Region)
📍 Lage: Ostküste des Schwarzen Meeres
⚠️ Politischer Hinweis: Aufgrund der unklaren Lage ist eine Reise nicht ohne Weiteres möglich. Kontakt über georgische oder russische Reiseveranstalter empfohlen.
🗿 Archäologischer Wert: Hoch – aber kaum touristisch erschlossen.
🌍 Alternative: Besuche das Georgische Nationalmuseum in Tiflis für Fundstücke aus der Region.

📚 Reisetipp allgemein:
Viele Unterwasserstätten sind für normale Touristen nur schwer zugänglich. Ideal sind kombinierte Kulturreisen mit archäologischem Fokus oder Tauchtourismus. Wer tiefer einsteigen will, kann sich bei internationalen Sommerakademien für Freiwillige (z. B. Balkan Heritage Field School) bewerben.



🗺️ Mein Fazit

Die Unterwasser-Archäologie im Schwarzen Meer hat meine Vorstellung von Geschichte völlig verändert. Sie ist kein trockenes Schulfach – sie ist lebendig, greifbar und voller Geheimnisse. Wenn du also das nächste Mal an Urlaub am Schwarzen Meer denkst, stell dir vor, was unter deinen Füßen liegen könnte: eine Tempelmauer, ein römisches Mosaik oder das Wrack eines Handelsschiffs.

Ich jedenfalls werde wiederkommen. Mit Neugier, Taucherbrille – und einem Notizbuch.

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